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Weißt du, was dich antreibt?

Aktualisiert: 24. Juni 2023

Das Konzept der inneren Antreiber und Erlauber


Hast du dich schonmal gefragt, warum verschiedene Personen in denselben Situationen ganz unterschiedlich reagieren?

Warum die eine Person gehetzt wirkt, während die andere ganz entspannt ist? Warum die gleiche Aufgabenstellung manche Menschen anspornt, ihnen Spaß bereitet und manche sich richtig darin verbeißen und frustriert sind, wenn sie sie nicht lösen können? Wieder andere geben gleich zu Beginn auf, andere wollen zwar eigentlich nicht mitmachen, machen es aber der Umgebung zuliebe.

Ein buntes gezeichnetes Gehirn als Symbol für das Modell der Inneren Antreiber und Erlauber und wie diese in Beratung und Supervision verwendet werden

Es sind unsere Erwartungen, Hoffnungen, Gefühle, Gewohnheiten, Werte, die uns antreiben. Doch auch unbewusste Verhaltensmuster, automatisierte Handlungen, Glaubenssätze, Überzeugungen, moralische Lebensregeln arbeiten in uns.


Diese sind in unserer Kindheit in uns entstanden, sie waren unsere Reaktion auf ausgesprochene wie unausgesprochene Erwartungshaltungen unserer Bezugspersonen.

Diese inneren Stimmen, inneren Antreiber, spornen uns an, motivieren uns, sorgen dafür, dass wir unsere Aufgaben erledigen. Lassen wir ihnen allerdings freie Hand, können sie uns auch hetzen, stressen und inneren Druck aufbauen.


Das Konzept der inneren Antreiber

Das Konzept dieser inneren Antreiber wurde vom amerikanischen Psychologen Taibi Kahler in den 1970er Jahren entwickelt. Kahler war ein Schüler von Eric Berne, dem Begründer der Transaktionsanalyse, und er arbeitete eng mit ihm zusammen.

Kahler definierte fünf innere Antreiber, die unser Verhalten und unsere Emotionen beeinflussen können und sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf unser Leben haben können und uns manchmal anspornen, uns manchmal aber auch dazu bringen, uns selbst zu sabotieren.



Innerer Antreiber „Sei stark!“

Unser erstes Beispiel ist Karla. Sie ist 38, Führungskraft in einem großen Unternehmen. Durch ihre hohe Belastbarkeit und ihr Durchsetzungsvermögen hat sie es in ihrem Beruf bereits weit gebracht, sie war die jüngste Abteilungsleiterin in der Geschichte des Konzerns. Doch trotzdem plagt sie oft die Sorge, dass sie nicht respektiert werden könnte, oder schwach wirken könnte. Um dies zu vermeiden, strengt sie sich extrem an, versucht immer alles unter Kontrolle zu halten. Es fällt ihr schwer, zu delegieren. Karla tendiert dazu, alles mit sich selbst auszumachen und wenig Gefühle zu zeigen. Sie erscheint auch noch mit grippalem Infekt pünktlich an ihrem Arbeitsplatz. Zeit für Erholung gönnt sie sich nur selten, ihre Bedürfnisse stellt sie immer wieder in den Hintergrund. Sie gerät häufig in Konflikte mit Kolleg*innen, die sie als unnahbar und autoritär wahrnehmen. Privat ist sie derzeit Single, in ihrer letzten Beziehung gab es immer wieder mal Streit. Es fiel Karla immer schon schwer, ihrem Partner gegenüber ihre Wünsche oder Gefühle auszusprechen.


Innerer Antreiber „Mach es allen recht!“

Als nächstes lernen wir die Kindergärtnerin Lisa kennen. Die 28-jährige ist eine warmherzige Person und kümmert sich mit viel Liebe und Geduld um die Kinder ihrer Gruppe, durch ihre Freundlichkeit und ihr Mitgefühl ist sie bei Eltern und Kolleg*innen beliebt. Durch ihre soziale Wahrnehmung ist sehr feinfühlig für Gruppenprozesse, sie schafft es gut, die Bedürfnisse aller Kinder im Blick zu behalten, verzichtet dabei aber sehr oft auf die Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse. Weil sie um jeden Preis Streit vermeiden möchte, hat sie oft Schwierigkeiten, klare Grenzen zu setzen und durchzusetzen. Das führt dazu, dass einige Kinder sie nicht ernst nehmen und ihre Autorität in Frage stellen. Lisa kämpft immer wieder mit dem Gedanken, dass sie nicht lieb genug ist und es allen recht machen muss.


Innerer Antreiber „Beeil dich!“

Klaus ist 42 und arbeitet seit vielen Jahren im Sekretariat einer großen Steuerberatungskanzlei. Er wird von seinen Vorgesetzten sehr geschätzt, weil es ihm durch sein effizientes Arbeiten immer gelingt, Aufgaben schnell zu erledigen und Deadlines einzuhalten. Bei auftretenden Problemen oder Hindernissen denkt er sehr lösungsorientiert, will sich aber auch gar nicht lange mit der Analyse des Problems oder Strategieplanung aufhalten, sondern am besten direkt zur Lösung übergehen. Klaus legt großen Wert darauf, effizient zu sein und macht oft mehrere Dinge gleichzeitig. Hat er das Gefühl, Zeit zu verschwenden, wird er ungeduldig. Seine Frau beschwert sich oft, dass sie beim Gehen kaum mit ihm Schritt halten kann, wird Klaus durch eine langsame Person vor ihm „ausgebremst“, kann er so richtig genervt sein. Er tendiert dazu, anderen Menschen ins Wort zu fallen und gar nicht so wirklich zuzuhören. Er steht oft unter Stress und Druck und verspürt oftmals Angst, seine Aufgaben nicht erledigen zu können.


Innerer Antreiber „Sei perfekt!“

Der 32-jährige Elektriker Jakub ist ein sehr gewissenhafter Handwerker und legt großen Wert darauf, dass seine Arbeit perfekt ist. Seine Kolleg*innen und sein Chef beschreiben ihn als sehr gründlich. Jakub befürchtet oft, dass seine Arbeit nicht gut genug ist, er hat Angst, nicht akzeptiert zu werden, wenn er einen Fehler macht. Oft plagen ihn Selbstzweifel, dies führt dann oft dazu, dass er länger an einem Projekt arbeitet als geplant und manchmal auch Überstunden macht. Dadurch gerät er jedoch oft in Konflikte mit Kunden, die ungeduldig werden, wenn die Arbeit nicht schnell genug vorangeht, der Chef hat ihn auch schon wegen der vielen Überstunden ermahnt. Den jüngeren Kolleg*innen gegenüber möchte Jakub eigentlich gern ein Vorbild sein, diese beschweren sich aber oft über seine Strenge und Pingeligkeit.


Innerer Antreiber „Streng dich an!“

Frida ist 28 und als Unternehmensberaterin tätig. Sie ist ehrgeizig und motiviert, ihre Kolleg*innen beschreiben sie als pflichtbewusst, fleißig und kompetent und erleben, dass sie sich immer wieder neue Ziele setzt. Frida selbst hingegen schätzt sich alles andere als kompetent ein, im Gegenteil, sie fühlt sich sehr oft unzulänglich. Wird Frida für ihre Leistungen gelobt, antwortet sie oft mit „Das war doch nix!“. Es fällt ihr schwer, Erfolge zu genießen oder Lob dafür anzunehmen. Frida lebt in ständiger Angst, dass andere besser sein könnten, wodurch sie sich immer noch ein wenig mehr anstrengt. Doch manchmal setzt sie sich selbst zu sehr unter Druck und hat Schwierigkeiten, sich zu entspannen. Sie kämpft oft mit dem Gedanken, dass sie noch nicht erfolgreich genug ist und es immer noch besser machen könnte.


Wir alle haben unsere individuellen inneren Antreiber

Bestimmt ist dir nun hier und da etwas bekannt vorgekommen. Vielleicht musstest du manchmal schmunzeln, weil du Züge von dir wieder erkannt hast.

Tatsächlich ist es so, dass in jedem von uns jeder der fünf Antreiber grundsätzlich vorhanden ist, wenngleich auch in unterschiedlich starker Ausprägung. Meistens sind es 1-2 Antreiber, die stärker ausgeprägt sind, als andere. Übrigens ändert sich die individuelle Ausprägung auch im Laufe des Lebens, beeinflusst durch Lernerfahrungen und unsere Entwicklung.

Keiner der Antreiber an sich ist gut oder schlecht, jeder der Antreiber kann in bestimmten Situationen nützlich sein. Es ist jedoch wichtig, dass wir ein Gleichgewicht finden und sicherstellen, dass unsere Antreiber unser Leben nicht negativ beeinflussen. Indem wir uns bewusst sind, welche Antreiber uns antreiben, können wir lernen, uns selbst besser zu verstehen und unser Verhalten zu ändern, um unsere Ziele zu erreichen und ein erfüllteres Leben zu führen.


Warum ist es wichtig, die inneren Antreiber zu kennen?

Das Bewusstsein über die inneren Antreiber kann uns in vielerlei Hinsicht helfen. Wenn du deine Antreiber kennst, kannst du dich selbst besser verstehen, warum du in bestimmten Situationen so handelst, wie du es tust, und welche emotionalen und mentalen Muster du wiederholst.

Du kannst dann auch erkennen, wann deine Antreiber in deinem Alltag auftauchen und dich unter Druck setzen oder dich unnötig stressen. Du kannst lernen, wie du deine inneren Stimmen regulieren und ausgleichen kannst.

Insgesamt kann das Bewusstsein über deine Antreiber dir helfen, deine Denkmuster und Verhaltensweisen zu verstehen und zu verbessern, deine zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken und Stress und Burnout zu reduzieren.


Wie wird in der Beratung und in der Supervision mit den inneren Antreibern gearbeitet?

Ich setze das Modell der inneren Antreiber gerne ein, um meinen Klient*innen zu ermöglichen, ihre Denkmuster und Verhaltensweisen besser zu verstehen und dadurch zu verändern. Denn wer seine Antreiber kennt, kann ihnen auch entgegentreten.

Als systemische Beraterin betrachte ich auch die Einbettung der inneren Antreiber in das soziale System der Klient*innen. Wir betrachten die Einflüsse der Antreiber auf Beziehungen und soziale Interaktionen, auf Kommunikationsmuster im beruflichen wie im privaten Leben.

Es kann auch hilfreich sein, die Antreiber der beteiligten Personen innerhalb des sozialen Systems zu erkennen und zu verstehen, um das Verhalten und die Interaktionen innerhalb der Systeme besser zu verstehen.

Allerdings begnügen wir uns in der Beratung bzw. in der Supervision nicht damit, die Antreiber „nur“ zu erkennen und bewusst zu machen. Sie zu verstehen und zu erkennen ist der erste wichtige Schritt, aber nicht der letzte.

Schritt für Schritt wandeln Klient*innen unter professioneller Prozessbegleitung durch Berater*in oder Supervisor*in ihre Antreiber in sogenannte „Erlauber“ um, die es ihnen ermöglichen, einschränkenden Antreibern und Glaubenssätzen selbstbewusst entgegenzutreten.


Wieso ich weiß, dass es funktioniert

Aus eigener Erfahrung. Denn entscheidet man sich, so wie ich, die Ausbildung zur Psychosozialen Beraterin zu machen, bedeutet das neben einer langen, intensiven Fachausbildung vor allem auch viel Selbsterfahrung. Im Rahmen dieser Selbsterfahrung begegnete ich dann auch meinen eigenen inneren Antreibern.


Ein Portraitfoto der Autorin dieses Beitrages, die Supervisorin und Beraterin Sandra Kremmel aus Wien

Ich erkannte, dass mich oft der Antreiber "Sei perfekt" dazu trieb, zu viel zu tun und mich selbst zu überfordern. Fehler zu machen wollte ich mir so gar nicht erlauben. Durch die Arbeit mit meiner Beraterin habe ich gelernt, dass es auch für mich okay ist, Fehler zu machen und dass ich nicht alles „perfekt“ machen muss. Im geschützten Rahmen der Beratung konnte ich hinterfragen, wer denn eigentlich für mich definieren darf, was „perfekt“ ist, und wem ich eigentlich das Recht einräumen möchte, ein Feedbackgeber für mich zu sein.

Mein zweiter, ganz persönlicher innerer Antreiber war immer schon "Mach es schnell". Wie oft war ich ungeduldig, wenn mir etwas nicht schnell genug ging, rollte innerlich die Augen, trommelte genervt mit den Fingern auf dem Tisch und erwartete auch von den Menschen rund um mich herum ein hohes Arbeitstempo. Langes Reden darüber, wie man etwas machen könnte, ärgerte mich, wollte ich doch am liebsten immer einfach gleich loslegen. Meine Beraterin begleitete mich durch einen Prozess, durch den ich heute weiß, dass ich mir Zeit nehmen darf und manches auch mal länger dauern darf.

Die Arbeit an meinen inneren Antreibern half mir, mich besser zu verstehen, und zufriedener mit mir selbst und meinem Leben zu sein. Ich habe gelernt, meine Antreiber in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen, indem ich sie in meine persönlichen Erlaubersätze umwandeln konnte.


Tritt deinen inneren Antreibern entgegen. Mach dir die Kraft der Erlauber zu Nutze!

Klar, die inneren Antreiber sind nicht die Antwort auf alles, das Patentrezept für jede Problemlösung. Das wäre ja auch viel zu einfach 😉

Wir alle sind unterschiedlich, wir passen nicht in fünf vorgefertigte Antreiber-Schubladen. Und ganz sicher ist es nicht so, dass an dir etwas „repariert“ werden muss. Aber das Wissen über deine Antreiber kann ein Hilfsmittel für dich sein. Es gibt dir einen Einblick darin, wie du tickst, und verrät dir auch ein bisschen darüber, warum du bist, wie du bist. Die Arbeit mit Antreibern erlaubt dir, deine Glaubenssätze und inneren Stressoren ebenso wie Blockaden aufzudecken und zu bearbeiten.

Ich wünsche dir, dass du dich in der Auseinandersetzung mit deinen Antreibern auf die Entdeckungsreise in dein Innenleben machen kannst, dir und deinen inneren Stimmen mit Neugier, Wertschätzung und liebevollem Blick begegnen kannst. Es ist eine lohnende Reise!


Alles Liebe,

Sandra

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